Die Manager unter meinen Kunden tragen zwei Seelen in der Brust. Einerseits wollen sie, dass ihre Teams Ergebnisse erreichen, und zwar am besten in hoher Qualität und gut planbar. Andererseits merken sie, dass Produktentwicklung nicht gerade zu den am besten voraussagbaren Prozessen gehört und dass deshalb einfache Führungsmechanismen wie Kommandieren und Kontrollieren nicht funktionieren.

Managers Dilemma

Wenn Manager zu stark eingreifen, kommt etwas sehr Vorherbestimmtes heraus, das möglicherweise auf dem Markt nicht erfolgreich sein wird. Wenn Manager zu schwach eingreifen, machen die Teams möglicherweise etwas sehr Schwammiges, Unklares, das ebenfalls nicht viel mit dem Markt zu tun hat. Oder sie forschen lange, entwickeln zu viele Optionen, ohne rechtzeitig damit aufzuhören und das Produkt auszuliefern.

In den letzten Jahren ist im agilen Umfeld sehr viel über Selbstorganisation gesprochen worden. Wie stark muss man eigentlich ein selbstorganisierendes Team beschränken oder regieren, damit es erfolgreich etwas abliefert?

Management ist wie Fahrradfahren

Cyklizm pospolity

Es ist in etwa so wie wenn Sie mit einem Rennrad über ein Kopfsteinpflaster fahren. Das Kopfsteinpflaster bringt das Rad in Schwingung. Wenn Sie den Lenker zu stark festhalten, überträgt sich die Schwingung auf Sie als Fahrer und auf das ganze Rad. Das Schwingung schaukelt sich auf, das Rad wobbelt, irgendwann stürzen Sie mitsamt dem Rad. Wenn Sie den Lenker zu wenig festhalten, bringt das Kopfsteinpflaster das Lenker ebenfalls schnell außer Kontrolle, auch hier ist ein Sturz die Folge. Offenbar funktioniert es am besten, wenn man die Hände leicht geöffnet hält, so dass die Griffe des Lenkers in der Hand einen gewissen, doch nicht zu großen Spielraum haben. Die Schwingung verbleibt im Lenker und in den Händen, der Rest des Rades bleibt stabil. Sie als Fahrer spüren die kräftigen Vibrationen in Ihren Händen, die Stärke dieser Vibrationen ist aber gerade noch beherrschbar. Die Geschwindigkeit des Rades bleibt trotz Kopfsteinpflaster relativ hoch.

Teams sind wie Rennräder. Märkte und Kunden sind wie das Kopfsteinpflaster. Manager sind wie Fahrer des Rades. Fahrer müssen mit dem Pflaster und dem Rad ein Gesamtsystem bilden, auf das sie gerade genug Kontrolle ausüben – nicht zu viel und nicht zu wenig:

  • Überregulierte Teams unterdrücken wichtige Informationen, um nicht aufzufallen. Sie ignorieren wichtige Veränderungen und Unterschiede, die im Alltag auftreten. Das System muss schließlich stabil bleiben! Es gelten Regeln, die jede Neuigkeit unterdrücken oder erst gar nicht hereinlassen, wenn die Neuigkeit von außen kommt. Business as usual heißt die Maxime.
  • Unterregulierte Teams sind auch nicht besser. Sie haben keinen Fokus, können wichtige Informationen gar nicht erkennen, weil ja eh alles egal ist und keine Folgen hat. Die Leute vermeiden Konflikte, arbeiten ineffizient und unkonzentriert und lassen sich durch Unterbrechungen, die von außen kommen, viel zu sehr ablenken.

Die richte Menge von Kontrolle

Justitia

Selbstorganisierende Teams arbeiten am besten in der Mitte dieser beiden Extreme. Man erkennt die Grenzen deutlich. Es ist klar, wer zum Team gehört und wer nicht. Es ist klar, welche Deadlines gelten, wie oft und in welcher Qualität geliefert werden muss. Unterschiede zwischen den Leute werden positiv genutzt. Stress und Konflikte werden offen angesprochen und ausgeräumt. Spezielle Fähigkeiten einzelner Teammitglieder werden nicht geneidet sondern abgekupfert. Die Kommunikation ist stark vernetzt. Es wird nicht nur von oben nach unten, sondern auch umgekehrt und seitwärts kommuniziert. Kommunikation in solchen Teams erzeugt Bedeutung und einen Zweck, sie gibt dem Team die Richtung. Muster entwickeln sich, erfolgreiches Vorgehen wird kopiert, Misserfolge werden analysiert, und es wird daraus gelernt.

Das alles geht nicht im grenzenlosen Raum! Grenzen geben selbstorganisierenden Teams Halt. Als Manager setzen Sie Grenzen, die Nutzen stiften und lassen das Team innerhalb dieser Grenzen tun, was die Leute für angemessen halten. Lassen Sie sozusagen den Lenker des Rades soviel wobbeln wie nötig aber nicht mehr. Sie werden es lieben!