Kürzlich schrieb ich über Geschäftsmodelle für Ihre Softwarefirma. Heute geht es um sechs essenzielle Fähigkeiten, die Sie brauchen, um die geschilderten Geschäftsmodelle wahr zu machen.

Kunden finden

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In einer Softwarefirma liegt der Fokus normalerweise auf der Produktentwicklung. Viele ziehen sich zurück ins stille Kämmerlein, entwickeln dort das Produkt, gehen damit an dem Markt und hoffen, dass Kunden es kaufen. Das ist eine der häufigsten Ursachen für Fehlschläge. Das Produkt mag gut sein, doch die Annahme, der Markt wolle es auch einsetzen, ist bis zum ersten Release meist nicht überprüft worden. Deshalb ist es am besten, neben dem Prozess der Produktentwicklung auch gleich die Kunden „mitzuentwickeln“, wie es Steve Blank in seinem Buch Four Steps to the Epiphany1 formuliert:

Most startups lack a process for discovering their markets, locating their first customers, validating their assumptions, and growing their business. … Customer Development focuses on understanding customer problems and needs, Customer Validation on developing a sales model that can be replicated, Customer Creation on creating and driving end user demand, and Company Building on transitioning the organization from one designed for learning and discovery to a well-oiled machine engineered for execution.

Die eigenen Annahmen zu überprüfen, ist dabei einer der zentralen Schritte. Produktentwickler machen alle möglichen Arten von Annahmen:

  • Die Kunden brauchen eine Software vom Typ X, die das Problem Y löst.
  • Die Kunden befinden sich in Unternehmen der Art Z.
  • Das Produkt muss die Eigenschaften A, B und C haben.
  • u.v.a.m.

Diese Annahmen sind alle ungeprüft, bis der erste Kontakt zwischen Software und Kunde zustande kommt. Dann zeigt sich, ob das Problem Y tatsächlich gelöst werden musste, ob die Kunden wirklich bei Z sind und ob das Produkt wirklich A, B und C haben musste. Doch dann ist das Investment für die Entwicklung bereits ausgegeben, und man sagt sich „wenn wir das vorher gewusst hätten, dann…“.

Es ist also gut, wenn Sie zuerst nur ein minimal überlebensfähiges Produkt entwickeln und die Annahme, dass Kunden dafür bezahlen würden, gleich „live“ im Markt verifizieren, bevor Sie größere Beträge in die Entwicklung investieren. Wenn Sie Kunden finden, die mit Ihnen reden und die Geldbörse für einen Teil dessen öffnen, was Ihre Firma entwickelt hat, dann haben Sie schon mal eine erste Testumgebung für Ihre Annahmen.

Verkaufen

Verkaufen ist der nächste Schritt, wenn Sie Ihre Kunden einmal gefunden haben. Achten Sie zunächst darauf, dass Sie wirklich denjenigen finden, der für die Entscheidung, in Ihr Produkt zu investieren, verantwortlich ist. Nichts ist schlimmer als an jemanden zu geraten, der zwar „nein“ aber nicht „ja“ sagen kann, weil er noch die Erlaubnis von jemand anderem braucht.

Hören Sie dem Kunden zu, stellen Sie ihm den Wert vor, den Ihr Produkt bietet, zeigen Sie ihm, wie er selbst damit arbeiten und sein Geschäft optimieren könnte. Versuchen Sie, mit ihm eine konzeptionelle Übereinstimmung zu erzielen. Diese beinhaltet: Welches Problem soll mit dem Produkt gelöst werden? Welche Vorteile können geschaffen werden? Woran kann der Kunde erkennen, ob und wann die Vorteile auch tatsächlich entstehen?

Wenn der Kunde und Sie konzeptionell übereinstimmen, d.h. über die zu liefernde Software und die möglicherweise dazugehörende Dienstleistung einig sind, senden Sie dem Kunden ein Angebot, das in kurzer Form das zusammenfasst, über das Sie ohnehin schon einig sind und das dann dem Wert einen Preis zuordnet. Der Kunde kann nun entscheiden, ob ihm der versprochene Wert die angekündigten Kosten wert sein wird.

Wert schaffen

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Sie haben einen Auftrag bekommen? Schön! Dann brauchen Sie den Wert, den Sie angekündigt haben, ja „nur noch“ zu schaffen. Sie haben hoffentlich nicht versucht, einen Riesenauftrag zu definieren – das geht in aller Regel später bei der Erfüllung schief! Große Aufträge haben einen langen Planungshorizont und deshalb erhöhtes Risiko bezüglich Zeitplan und Machbarkeit. Definieren Sie kleine Stücke, die Sie regelmäßig ausliefern und dem Kunden zur Überprüfung geben können. Das können Sie besser planen und steuern, der Kunde bekommt früher lauffähige Ergebnisse zu sehen, mit denen er vielleicht sogar schon Geld verdienen oder Kosten sparen kann.

Zur Erschaffung des Wertes brauchen Sie fünf wichtige Fähigkeiten:

  • Verstehen
  • Planen
  • Bauen
  • Liefern
  • Helfen

Verstehen bedeutet zu begreifen, welche Vision der Kunde hat, welche Fähigkeiten die Software braucht und welche Features geeignet sind, die Fähigkeiten zu realisieren.

Planen bedeutet, die Unsicherheit im Vorhaben greifbar zu machen und herauszufinden, was Sie alles tun müssen, welche Zwischenergebnisse Sie liefern können, in welcher Qualität und in welcher Zeit.

Bauen ist die eigentliche Tätigkeit, mit der Sie die Software erschaffen. Manchmal trifft es auch nicht der Begriff „bauen“, sondern „anbauen“ (wie bei Pflanzen) würde es besser treffen. Finden Sie heraus, was das minimal auslieferbare Feature wäre, das dem Kunden die Fähigkeiten gibt, die er verlangt. Liefern Sie das Feature aus und fragen Sie, was jetzt noch bis zum produktiven Einsatz fehlt.

Liefern ist die Fähigkeit, ohne viel Aufwand das herauszubringen, was Sie schon lauffähig haben. Sie haben diese Fähigkeit, wenn es keiner großartigen Umstände mehr bedarf, etwas in Produktion zu bringen, das beim Entwickler schon läuft. Sie müssen Ihre Prozesse noch optimieren, wenn das nicht so sein sollte. Großer Aufwand beim Ausliefern ist nicht normal, sondern eine Schwäche, die man überwinden sollte.

Unter Helfen fallen Tätigkeiten wie Schulung und Support. Die Software selbst sollte ja einfach zu bedienen sein – es ist jedoch möglich, dass die Geschäftsprozesse sich mit der Software ändern und deshalb lieb gewordene Gewohnheiten durch Schulung verändert werden sollen.

Lernen

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Eine erfolgreiche Softwarefirma ist immer eine lernende Firma. Kunden geben Ihnen Feedback zur gelieferten Software: Was war leicht zu verstehen, wofür brauchte man Hilfe? Welche Teile waren leicht zu benutzen, wo gab es Schwierigkeiten, welche Features der Software funktionieren im Alltag überhaupt nicht? Nehmen Sie dieses Feedback, um die Natur der Nachfrage immer weiter zu verstehen und den Wert, den Ihre Software für den Kunden erzeugt, immer weiter zu steigern.

Beobachten Sie jedoch auch die Fähigkeiten Ihrer eigenen Firma. Das ist das zweite Feld, auf dem Sie lernen können: Wie lange brauchen wir, um ein Feature zu realisieren? Was stand uns dabei im Weg? Wie hoch ist der Anteil der langweiligen Tätigkeiten, wie hoch der kreative Anteil? Lässt sich der langweilige Anteil vielleicht automatisieren? Was können wir gut, woran müssen wir noch arbeiten?

Managen

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Wert schaffen und Lernen brauchen eine weitere, unterstützende Fähigkeit: Management. Darunter fasst man landläufig mindestens drei Dinge zusammen: führen, steuern und organisieren. Führen bedeutet, die Richtung anzuzeigen, in der das Ziel liegt. Steuern bedeutet, Pläne und Regeln aufzustellen und die Leute zu deren Einhaltung zu motivieren. Organisieren bedeutet letztlich, herauszufinden, was man zwischen 14 und 16 Uhr tut, wer dabei mitmacht und was man dazu braucht. Führung kann und muss „von oben“ ausgehen, kann aber auch situationsbezogen von einem Mitarbeiter, der gerade am besten Bescheid weiß, ausgeübt werden. Steuern müssen die Vorgesetzten, organisieren können sich die meisten selbst. Der Trick liegt in der richtigen Aufteilung von führen, steuern und organisieren.

Mitarbeiter entwickeln

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Mitarbeiter zu entwickeln ist genauso wichtig wie Kunden oder Produkte zu entwickeln. Es heißt so schön „Talent kann man nicht lernen, man hat es oder man hat es nicht.“ Darin steckt sicherlich ein Körnchen Wahrheit. Talente müssen Sie finden und einstellen – Sie können Talent nicht durch Schulung „erzeugen“. Was Sie jedoch tun können: Talent in ganz normalen Leuten finden, hervorholen und stärken.

Zusammenfassung

In diesem Blogeintrag habe ich über sechs grundlegende Fähigkeiten einer Softwarefirma gesprochen: Kunden finden, verkaufen, Wert schaffen, lernen, managen und Mitarbeiter entwickeln. Alle erfolgreichen Firmen, die ich getroffen habe, hatten alle diese Eigenschaften ausgebildet. Deshalb meine ich, diese sind essenziell, um eine Softwarefirma zu sein.

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  1. Steven G. Blank: The Four Steps to the Epiphany: Successful Strategies for Startups That Win, K&S Ranch (Februar 2005), ISBN 978-0976470700