Menschen entwickeln Software, um Geld zu verdienen und um an selbiger Arbeit Freude zu haben, denn Entwicklung schafft etwas Neues und ist also eine kreative Tätigkeit. Je nach Geschäftsmodell Ihrer Firma kommt der Ertrag aus dieser Tätigkeit auf unterschiedlichen Wegen zu Ihnen. Lassen Sie uns beispielhaft vier solche Geschäftsmodelle betrachten und dann überlegen, woher das Geld jeweils kommt.
Feature-Entwicklung
Bei diesem Modell entwickelt Ihre Firma einzelne Features, die der Nutzer mit der lauffähigen Software zur Verfügung gestellt bekommt. Diese Features geben dem Nutzer neue Fähigkeiten, die er schätzt und die ihm bei der täglichen Arbeit weiterhelfen. Der Kunde bezahlt Geld für die Entwicklung eines Features, weil er es für seine Nutzer erwerben möchte. Wenn Ihre Firma diese Features entwickelt, verdienen Sie also mehr Geld, je mehr Features Sie erfolgreich entwickeln und verkaufen können.
Mitgliedschaft
Etwas anders verhält sich das bei webbasierten Clubs, in denen man Mitglied werden kann. Ein gutes Beispiel ist das Geschäftsleute-Netzwerk XING. Hier zahlen die Kunden dafür einen Mitgliedsbeitrag, dass sie Kontakte zu anderen Mitgliedern bekommen, in Gruppen diskutieren oder Events veranstalten oder besuchen können. Wenn Sie eine Clubseite entwickeln und betreiben, dann verdienen Sie mehr Geld, je mehr zahlende Mitglieder Ihr Club hat.
Transaktionen
Wieder anders ist es beim transaktionsbasierten Geschäftsmodell, wie zum Beispiel bei Amiando, bei der Deutschen Bahn oder bei Online-Shops wie Amazon. Kunden wickeln geschäftliche Transaktionen ab und bekommen Waren geliefert. Amiando liefert Tickets für Veranstaltungen, bei der Deutsche Bahn kaufe ich Fahrkarten, Amazon verkauft mir alles Mögliche. Wenn Sie Entwickler und Betreiber einer solchen Site sind, verdienen Sie mehr Geld, je mehr bezahlte Transaktionen die Kunden auf Ihrer Site durchführen.
Lizenzen
Ein Klassiker ist das auf Software-Lizenzen basierende Geschäftsmodell. Ihre Firma entwickelt Software und verkauft Lizenzen dafür, damit Kunden die Software nutzen können. Die Kunden zahlen z.B. beim Kauf einer App eine Lizenzgebühr und erwerben das Recht, die Software zu nutzen. Sie als entwickelnde Firma verdienen mehr Geld, je mehr Kunden Ihre Software einsetzen und für die Lizenz bezahlen wollen.
Wozu all die Beispiele?
Meine Kunden fragen mich oft, ob ich ihnen nicht bei interner Verbesserung helfen könnte, z.B. bei der Steigerung der Entwicklerproduktivität. Natürlich kann ich das, doch im ersten Schritt frage ich dann nach dem Geschäftsmodell, um festzustellen, ob die Entwicklerproduktivität wirklich zu mehr Wohlstand für diesen Kunden führen würde. Beim Geschäftsmodell „Feature-Entwicklung“ ist das wahrscheinlich, beim Modell „Mitgliedschaft“ oder „Transaktionen“ ist das nicht unbedingt so klar. Würde die Firma mehr Mitglieder bekommen oder mehr Transaktionen abwickeln, wenn die Entwickler produktiver wären? Selbst bei der Feature-Entwicklung ist es häufig so, dass die Entwickler arbeiten wie der Teufel, doch die Firma trotzdem nicht mehr Geld verdient als sonst, weil es in Wirklichkeit woanders klemmt.
Was fehlt also? Der Blick auf’s Ganze – in Gestalt eines ökonomischen Modells für die Entwicklung.
Den Cash Flow verbessern
Im Artikel Lean und das Geld habe ich es schon angedeutet. Es gibt geschäftliche Variablen, mit denen sich der Geldstrom beschreiben lässt: Umsatz (T), Kosten (oE), Investitionen (I). Die Kosten entstehen sofort während der Entwicklung, der Umsatz entsteht u.U. erst später, wenn der Kunde zahlt. Um Ihre Tätigkeit zu verbessern, brauchen Sie also noch geschäftliche Variablen, die sich den Ursachen für den späteren Geldstrom zuordnen lassen:
- Entwicklerproduktivität
- Qualität der Software
- Auftragsvolumen aus dem Vertrieb
- Zahl neuer Nutzer-Registrierungen
- Nutzungszahlen für ein bestimmtes Feature
- Gründe, warum jemand Mitglied im Club wurde oder gekündigt hat
- Zahl der Transaktionen eines bestimmten Typs
- Zeiten hoher oder geringer Nutzung des Produktes
- Vergleich der Features mit dem Wettbewerb
- und vieles mehr.
Die Variablen sind spezifisch für Ihre Firma und hängen stark vom Geschäftsmodell ab. Wenn diese Variablen sich auf Euro abbilden lassen (sei es sofort oder später in der Rückschau), dann haben Sie einen Hebel, um Verbesserungsmaßnahmen anzusetzen. Fragen Sie sich bei jeder Maßnahme, die Sie planen:
- Welche Ursachenvariable versuchen wir damit zu beeinflussen?
- Wird die Maßnahme mehr Umsatz bringen?
- Wird sie existierenden Umsatz bewahren?
- Wird sie Kosten einsparen?
- Lässt sich die Investition für die Maßnahme klein halten?
- Woran werden Sie den Erfolg der Maßnahme feststellen?
- Wann wird sich das erste Mal ein Effekt aus der Maßnahme erkennen lassen?
Untersuchen Sie auch, wie stark der Einfluss der Ursachenvariablen auf die Geldstromvariablen ist. Suchen Sie dann zu jeder Ursachenvariable einen Hebel, den Sie allen Kollegen und Mitarbeitern geben können. Kollegen und Mitarbeiter können dann mit Hilfe des Hebels die Ursachenvariable günstig beeinflussen. Wählen Sie die Ursachenvariable mit dem größten Einfluss und dem leichtesten und zuverlässigsten Hebel als Grundlage für Ihre Verbesserungsmaßnahmen.
Beispiel für zwei solcher Maßnahmen:
- Sie möchten die Qualität der Software steigern, damit die Kunden begeistert sind und mehr Lizenzen kaufen, und damit die Entwickler weniger Fehler zu beheben haben, was auch die Entwicklerproduktivität steigern würde.
- Bei sehr hoher Kundenbegeisterung und zu starker Last auf den Entwicklungsteams könnten Sie anschließend den Lizenzpreis erhöhen, um mehr Umsatz zu erzielen und die Last auf den Entwicklungsteams zu reduzieren, um zu verhindern, dass Ihre Entwickler kündigen.
Hinter diesem Satz stecken gedanklich vereinfacht folgende Dinge:
Ursachenvariablen:
- Lizenzzahl
- Lizenzpreis
- Fehlerzahl
- Entwicklerproduktivität
- Gehalt
- Personalfluktuation (z.B. Leute pro Quartal)
Geldstromvariablen:
- Umsatz
- Kosten
Abbildungen:
- Umsatz = f(Lizenzzahl, Fehlerzahl, Lizenzpreis)
- Kosten = f(Gehalt, Personalfluktuation)
Bei welcher Ursachenvariable wollen Sie den Hebel ansetzen? Die lohnendste ist aus meiner Erfahrung die Fehlerzahl, denn alles andere ist nicht so leicht beeinflussbar.
Den Hebel ansetzen
Nun brauchen Sie noch Hebel, mit denen Sie die Ursachenvariablen beeinflussen können. Die Fehlerzahl hängt von mehreren Hebeln ab:
Hebel:
- Zeit bis zum Feedback über Qualität
- Architektur
- Testabdeckung
- Testarten und Teststufen
Lassen Sie Ihre Kollegen und Mitarbeiter darüber nachdenken, wie sie die Zeit bis zum Feedback minimieren können, denn schnell bemerkte Fehler lassen sich leichter beseitigen als spät bemerkte. Setzen Sie mehrere Testarten und Teststufen ein (Unit-, Integrations-, Akzeptanztests). Damit die Kosten dafür nicht zu hoch werden (z.B. unwartbare Tests), denken Sie rechtzeitig und oft genug über Ihre Architektur nach (Stichworte Kopplung und Kohäsion).
Fangen Sie an!
Dies war ein Erfahrungsbeispiel. In Ihrer Firma könnten andere Maßnahmen, andere Variablen und andere Hebel notwendig sein. Beginnen Sie mit dem dringendsten Problem. Wählen Sie die Ursachenvariable mit dem größten Einfluss und dem leichtesten und zuverlässigsten Hebel als Grundlage für Ihre Verbesserungsmaßnahmen.
Wie Sie das machen? Sie erfahren dazu mehr in meinen Coachingprogrammen.
In weiteren Blog-Artikeln werde ich auf weitere Verbesserungsmaßnahmen jenseits des Cash Flows eingehen, z.B. auf die Themen Mitarbeiterzufriedenheit und Produkt-Langlebigkeit. Und auch darauf, wie Sie solche Verbesserungsmaßnahmen systematisch in Ihrem Team-Alltag verankern.
Bis dahin: Viel Erfolg!