Produktentwicklung findet nicht nur in der Entwicklungsabteilung statt. In größeren Organisationen gibt es auch noch Marketing, Vertrieb, Service und Support, um nur einige zu nennen. Die Frage ist oft: Wie belohnt man diese Abteilungen? Für die Erreichung welcher Ziele?
Lokale Ziele sind die Norm
Oft werden lokale Ziele gesetzt und lokal belohnt. Beispiel: Der Vertrieb hat das Ziel, möglichst viele Kunden zu gewinnen und wird belohnt, wenn er sie kriegt. Lokales Belohnen und Optimieren funktioniert nur dann gut, wenn es den anderen Abteilungen egal sein kann. Wenn die vielen Kunden, die der Vertrieb gewinnt, für die Entwicklung und den Support nicht mehr Arbeit bedeuten – na dann, warum nicht? Auf geht’s!
Die Realität sieht anders aus
Beispiel: Die Support-Abteilung optimiert sich darauf, viele Support-Anrufe in möglichst kurzer Zeit abzuwickeln. Sie belohnt ihre Mitarbeiter nach der Zahl abgeschlossener, gelöster Supportfälle. Hmmm… ist das gut im Sinne der Gesamtorganisation? Der Effekt wird nämlich sein, dass die Zahl der Calls zunimmt, weil die Effizienz hoch ist, aber die Ursachen der Calls nicht wirklich erforscht und angegangen werden. Die Auswirkung auf die Entwicklung: Die Zahl der zu bearbeitenden Second- oder Third-Level-Fälle wird ansteigen. Die Entwickler können nicht mehr entwickeln, die Zahl der neuen Features in den Produkten wird abnehmen. Das Produkt wird uninteressant, die Organisation fällt hinter den Wettbewerb zurück.
Was wäre die richtige Lösung?
Optimieren Sie im Sinne des Gesamtsystems! Die Supportabteilung müsste eigentlich das Ziel haben, sich selbst überflüssig zu machen. Na gut, vielleicht nicht wirklich. Sondern so: Geben Sie jedem Supportmitarbeiter das Ziel, den Fall, den er/sie gerade hat, bis zur Wurzel des Problems zu verfolgen und die Lösung zu finden, egal wie lange er dafür braucht. Er möge sich Hilfe aus der Entwicklung holen, er schreibt die Lösung auf, publiziert sie an seine Kollegen, alles mit dem Ziel: Dieser Fehler darf einfach nicht noch einmal auftreten. Die Entwicklung behebt den Fehler gesund und gründlich, mit dem Ziel, dass er bei den Kunden nie wieder auftreten wird.
Belohnen Sie Entwicklung und Support, wenn Fehler bis auf die Wurzel ausgemerzt wurden, zum Beispiel mit einem Team-Bonus. Reduzieren Sie diesen Bonus, wenn Fehler wiederholt auftreten.
Der neue Zustand
Die Fehler werden abnehmen. Die Entwicklung wird mehr Zeit haben, interessante Features ins Produkt einzubauen und die Kunden zu begeistern. Mehr Kunden werden angezogen, der Wettbewerb fällt im Rennen zurück.
Die ersten Schritte
Wo starten Sie am besten, um aus dem Dilemma der lokalen Optimierung auszubrechen? Für das obige Beispiel hieße das: Messen Sie einmal nach, wie viel Prozent der Kapazität der Entwicklung auf Fehlerbearbeitung verbraucht wird. Das kann locker über 50% ergeben und bedeutet, dass Ihre Entwicklung das Potenzial hat, doppelt so viel zu leisten, wenn man sie denn ließe. Schauen Sie dann in der Support-Abteilung nach, um zu sehen, wie die Fehler bearbeitet werden. Lassen Sie Entwickler in den Support gehen und dort zeigen, wie Fehler bis auf den Grund analysiert werden können. Machen Sie die Supporter und die Entwickler miteinander bekannt und lassen Sie die Menschen eine gemeinsame Lösung für dieses Problem finden. Freuen Sie sich anschließend, wenn die Fehlerzahlen zurückgehen.
Und: Falls die Support-Organisation outgesourct ist, kündigen Sie die Outsourcing-Verträge und holen Sie den Support ins eigene Unternehmen zurück. Für den Übergang routen Sie 20% der Calls auf eine kleine Support-Truppe im eigenen Unternehmen und 80% auf die Outsourcing-Partner. Steigern Sie dann langsam den Prozentsatz, der auf die eigene Truppe geroutet wird. Setzen Sie die interne Truppe in die Nähe der Entwicklung und sorgen Sie für enge Kooperation.
Die nächsten Schritte
Haben Sie mehr solche Beispiele? Fragen Sie mich – wir arbeiten zusammen daran. Sie werden Ihre Organisation vor lauter Glanz nicht wiedererkennen, das verspreche ich Ihnen.