Vor wenigen Jahren begegnete ich in einem Großunternehmen einer Host-erfahrenen Sachbearbeiterin. Das Unternehmen selbst hatte noch nicht davon gehört, dass fernes Outsourcing von Entwicklungsleistungen wirtschaftlich gesehen ein Fehler ist und vergab jeden Change Request nach Indien. Die Sachbearbeiterin hatte regelmäßig COBOL-Code gesehen, der aus Indien zurückkam und trotzdem ruhig Blut bewahrt. Sie sagte zu mir:
Lurens – beföhr isch wat Nüüs noh Indien geb, probeersch dat all mal kuchz doosch, sons jibt dat wedder nohr dat nächse Durjenando!
(Für den Fall, dass Sie des Ripuarischen nicht mächtig sein sollten, das im Köln/Bonner Raum gesprochen wird, habe ich am Ende des Artikels die Übersetzung ins Schriftdeutsche eingefügt.)
Sie griff also beherzt in die Tasten und schrieb ein Stück Code, das von den indischen Kollegen nur noch ausgefüllt bzw. nachprogrammiert werden musste – die einzige Chance, um unter diesen Bedingungen lauffähigen, trotz aller Kommunikationsprobleme halbwegs geordneten Code zu bekommen. Danach verfasste Sie das laut Vorgehensmodell erforderliche Spezifikations- und Auftragsdokument, hängte einen Verweis auf den Code an und schickte alles an den Haus- und Hof-Dienstleister, der es nach Indien weiterleiten würde.
Welch eine Verschwendung, und gleichzeitig welch eine Weisheit dieser Person! Das Unternehmen überlebt weiterhin – trotz Outsourcing. Es überlebt eben, weil es weise Mitarbeiter hat, die das Richtige im Alltag tun, selbst wenn die Richtlinien, nach denen gearbeitet wird, stark optimierungsbedürftig sind.
Wäre es nicht eine gute Idee, auch weiter oben in der Hierarchie weise zu sein und solche Richtlinien wieder abzuschaffen?
Ach ja: Die Übersetzung des obigen Satzes lautet:
Hören Sie mal – bevor ich etwas Neues nach Indien gebe, probier ich das alles mal kurz durch, sonst gibt das wieder nur das nächste Durcheinander!