Kürzlich war ich in der Schweiz, unterwegs mit meinem MacBook Air. Computer brauchen ab und zu Strom, keine Frage, und so steckte ich den Power-Adapter in eine Schweizer Steckdose, um den Akku des Computers aufzuladen.

Ich wunderte mich, warum Steckdose und Stecker genau zusammen passten, noch besser als zu Hause in Deutschland (vgl. Bild 1). Aus welchem Grund hätte Apple in Deutschland quasi „Schweizer Adapter“ zu verkaufen?

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Bild 1: Der Adapter an einer Schweizer Steckdose

Auf diese Frage fand ich zwar keine schnelle Antwort, doch fiel mir etwas anderes an dem Adapter auf: Er löst gleich drei Probleme des Benutzers auf einmal und spricht gleichzeitig das ästhetische Empfinden an.

Die folgenden drei Probleme löst der Adapter souverän:

elektrischer Anschluss

Liest man die kleine Aufschrift auf dem Adapter, so findet man: „Input: 100-240V, 1A Output: 14.85V, 3.05A“. Damit kann ich also so gut wie überall auf der Welt Energie bekommen, egal welche der vielen genormten Spannungen dort herrscht. Und: Der Adapter transformiert auf eine Spannung, mit der sich gängige Elektronik gut betreiben lässt. Er liefert mit 45W gleichzeitig genug Leistung für diese Gerätegröße.

mechanischer Anschluss

Der Stecker passt in vielen Ländern Europas, in denen ich unterwegs bin, einfach so in die Steckdose. Das liegt daran, dass er einen verträglichen Kontaktabstand hat und nur zwei Kontakte. Mit einem dritten würde es schon schwierig werden, weil der in europäischen Ländern unterschiedlich platziert ist.

Bild 2: Den länderspezifischen Teil abknipsen
Bild 2: Den länderspezifischen Teil abknipsen

Damit man aber auch in Großbritannien oder den USA Energie bekommt, hat Apple die Möglichkeit vorgesehen, den länderspezifischen Anschluss abzuknipsen (Bild 2) und einen anderen, z.B. für Großbritannien (Bild 3), aufzustecken. Der Rest des Adapters, also Trafo und Computeranschluss, bleiben dabei unverändert.

Bild 3: Länderspezifischer Stecker für UK
Bild 3: Länderspezifischer Stecker für UK

Sicherheit gegen Abreißen

Rennt man als eiliger Mensch durch ein Büro, in dem sich Computer befinden, kann man schon mal über ein Kabel stolpern und es abreißen. Das ist bei diesem Adapter auch nicht anders. Doch hat dieser auf Computerseite einen Dauermagneten, der den Stecker fest genug im Computer hält, der aber leicht und ohne Schaden abreißt, wenn ein User über das Kabel fällt und heftig daran zieht. Das Ziel dabei: Unverletzte Benutzer und intakter Computer.

Bild 4: Der leicht abreißende Magnetstecker am MacBook Air
Bild 4: Der leicht abreißende Magnetstecker am MacBook Air

Und: Die Ästhetik!

Anders als andere Hersteller, die ihren Notebooks Adapter im schwarzen Gehäuse mitgeben, hat Apple entschieden, dass der Magsafe-Adapter weiß sein muss. Das sorgt für Differenzierung und Wiedererkennungswert, denn andere Kabel und Stecker von Apple, z.B. die Ohrhörer des iPhone, sind ebenfalls weiß. Was ich an dem Adapter besonders schön finde, ist seine quadratische Gehäuseform mit den typischen abgerundeten Ecken. Sogar der Stecker zum Abknipsen integriert sich (zumindest in Europa, nicht in UK) in diese Form, indem er die eine Ecke des Quadrates schließt und abrundet.

Matthias, warum erzählst Du das alles?

Wenn Sie überhaupt bis hierher bei mir geblieben sind, haben Sie bestimmt obige Frage im Kopf. Wer mich schon länger kennt, weiß, warum ich das so ausführlich darstelle: Es geht mir um Produkte mit gescheiter Qualität und angemessener Architektur.

Zuerst zur Qualität:

In der Norm ISO/IEC 9126, die heute in der ISO/IEC 25000 aufgegangen ist, wird festgelegt, was Softwarequalität heißt. (OK, ein Power-Adapter ist keine Software, doch ich zeige gleich, dass die Qualitätsmerkmale trotzdem gut passen).

In der Norm ist von sechs Qualitätskategorien die Rede:

Kategorie Fragestellung
Funktionalität Inwieweit besitzt die Software die geforderten Funktionen?
Zuverlässigkeit Kann die Software ein bestimmtes Leistungsniveau unter bestimmten Bedingungen über einen bestimmten Zeitraum aufrechterhalten?
Benutzbarkeit Welchen Aufwand fordert der Einsatz der Software von den Benutzern und wie wird er von diesen beurteilt?
Effizienz Wie liegt das Verhältnis zwischen Leistungsniveau der Software und eingesetzten Betriebsmitteln?
Wartbarkeit/Änderbarkeit Welchen Aufwand erfordert die Durchführung vorgegebener Änderungen an der Software?
Übertragbarkeit Wie leicht lässt sich die Software in eine andere Umgebung übertragen?

Ich finde, der Magsafe-Adapter ist ein Musterbeispiel für diese Qualitätskategorien. Er hat die richtige Funktionalität, denn er transformiert diverse Spannungen auf eine einheitliche, die der Computer braucht. Er sorgt durch seinen Stecker zum Abknipsen für Übertragbarkeit in alle Länder der Welt. Und: Durch den magnetischen Anschluss, der leicht und ohne weitere Folgen abreißt, sorgt er für Zuverlässigkeit durch Fehlertoleranz. Durch seine schöne Gestalt ist er attraktiv für den Benutzer, was in der Norm unter Benutzbarkeit einsortiert ist. Auch für Wartbarkeit und Effizienz könnte man schöne Beispiele für diesen Adapter finden, was ich Ihnen als Leser überlasse – bitte schreiben Sie sie unten in das Kommentarfeld!

Softwarearchitekturen muss man genau so gestalten

Wenn Sie in Ihren Teams Software bauen, geben Sie ihr ja automatisch auch eine Architektur, egal ob Sie sich dessen bewusst sind oder nicht. Sie fällen dabei Entscheidungen über diese Dinge:

Aspekt Zu entscheiden
Fundamentale Organisation Welchen grundsätzlichen Aufbau, welche Ordnung, welche essenziellen, vereinheitlichenden Konzepte und Prinzipien hat Ihr System?
Elementevorrat Was für Elemente erlauben Sie in Ihrem System? Wie heißen die? Was für Eigenschaften und Verantwortlichkeiten haben die?
Beziehungen In welcher Art von Beziehung dürfen die Elemente Ihres Systems stehen? Welches darf von welchem anderen abhängig sein und welches nicht? Wie sollen die Beziehungen zur Umgebung (User und andere Systeme) sein?
Entwurfs- und Evolutionsprinzipien Welche Prinzipien sagen Ihnen und Ihren Teams, wie man Komponenten entwirft und sie miteinander verbindet? Wie bestimmt man, welche Funktionalität oder welche Qualität in welche Komponente hineinkommt? Wie ist es bei Änderungen und Weiterentwicklungen, woher wissen Sie, an welchen Komponenten man „schrauben“ soll und wo nicht?

Berücksichtigen Sie beim Fällen obiger Entscheidungen unbedingt nicht nur die Funktionalität des Systems, also z.B. die User Stories, die vom System unterstützt werden.

Legen Sie beim Entwurf Ihrer Softwarearchitektur genügend Gewicht auf die Qualitätseigenschaften!

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Überlegen Sie bei der Anforderungsermittlung genau, wie viel Qualität Sie im System brauchen, zum Beispiel:

  • Fehlertoleranz
  • Wiederherstellbarkeit
  • Konformität
  • Bedienbarkeit
  • Attraktivität
  • Effizienz hinsichtlich CPU, Speicher und Batteriestrom
  • Verständlichkeit des Codes
  • Modifizierbarkeit
  • Stabilität gegen Nebenwirkungen von Änderungen
  • Übertragbarkeit in andere Länder, Sprachen, Währungen, EDV-Umgebungen
  • usw.

Bauen Sie diese Qualität zu vertretbaren Kosten in Ihre Architektur ein – und zwar ruhig so, dass der Benutzer es auch merkt! Er wird Ihr System dann genauso lieben wie die Apple-Jünger die Produkte ihres Gurus. Ich weiß es, denn ich bin manchmal selbst so ein Jünger.

Demnächst mehr dazu, wie man Architektur so gestaltet. Bis dann!