Im Artikel Lean und das Geld schrieb ich über Verzögerungskosten. Heute möchte ich ein Beispiel dafür bringen: die Firma Siemens und ihre neu gebauten ICE-Züge für die deutsche Bahn. Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. Februar 2013 wollte Siemens die Züge schon 2011 liefern. Jetzt in 2013 ist immer noch unklar, wann sie denn nun genau geliefert werden können. Ursache ist wohl, dass es „… Siemens noch nicht gelungen sei, Software-Fehler zu beseitigen, die zu Störungen zwischen Zug und Leit- und Sicherungstechnik führten“. Damit sind Signalverzögerungen beim Bremsen gemeint. Es dauert zu lange, bis die Bremsen nach dem Knopfdruck wirklich auslösen.
Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die finanziellen Auswirkungen. Siemens hätte 16 Züge liefern sollen und hatte bereits als Kompensation für die 2011er-Verzögerung einen 17. Zug in Aussicht gestellt. Jetzt, nach den neuen Verzögerungen, hat Siemens für ein Quartal des Geschäftsjahres 2012/2013 noch einmal ca. 116 Millionen Euro zurückgestellt.
Was mag wohl dieser 17. ICE kosten? Und für wie viele Quartale muss Siemens noch Rückstellungen machen? Damit kratzt Siemens wahrscheinlich fast schon am Euro-Milliardenbereich.
Verzögerungskosten können in der Softwareentwicklung eine viel größere Rolle spielen als die Gehälter der Mitarbeiter. Es hat also Sinn, wenn man Entwicklung mit dem Ziel managt, schnelle und zuverlässige Lieferung von Wert zu erzielen, bei minimaler Verzögerung. Es hat keinen Sinn, wenn man Softwareentwicklung auf maximale Auslastung oder auf minimale Gehaltskosten (z.B. durch Outsourcing ins Ausland) hin managt. Die Optimierung, die man dadurch erzielt, wird sehr schnell durch Verzug in Folge von Kommunikations- und Qualitätsproblemen aufgefressen. Outsourcing in der Entwicklung ist damit praktisch keine Option mehr. Insourcing mit Lean ist die neue Option, die sich hoffentlich immer weiter herumspricht.